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Arbeitszufriedenheit

Geld allein ist nicht alles

Wie attraktiv eine Stelle ist, hängt nicht nur vom Lohn ab. Auch die Arbeitsbedingungen sind wichtig. Dr. Daniel Kopp, Arbeitsmarktexperte bei der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, über die Gründe, warum manche Menschen freiwillig weniger verdienen, als sie theoretisch könnten, und warum Arbeit auch die Lebensqualität steigert.

Vielen Arbeitnehmenden ist Freizeit wichtiger als ein hoher Lohn. Bild: Unsplash/Holly Mandarich

Herr Kopp, ist der Lohn nicht ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Grund, zu arbeiten?

Der Lohn ist natürlich wichtig. Aber man weiss, dass den Arbeitnehmenden auch andere Aspekte der Arbeit wichtig sind. Dies dürfte zum Teil auch dazu führen, dass sie sich um Stellen bewerben – oder bei einem Unternehmen bleiben –, obwohl sie andernorts mehr verdienen könnten. Dies ist einer der Gründe, warum Arbeitnehmende nicht unbedingt den Lohn erhalten, der ihrer Produktivität entspricht.

Und warum ist das so?

Die Gründe sind vielfältig (siehe unten). Eine wichtige Rolle spielt die Pendeldistanz oder die Frage nach flexibler Arbeitszeitgestaltung. Auch soziale Faktoren, wie zum Beispiel eine gute Teamkultur oder Kolleginnen und Kollegen, mit denen man befreundet ist, können Arbeitnehmende an ein Unternehmen binden.

Gibt es auch das Gegenteil? Also, dass man für einen höheren Lohn Nachteile in Kauf nimmt?

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es die Theorie der kompensierenden Lohndifferenziale. Sie besagt, dass hohe Löhne ein Ausgleich für unangenehme Arbeitsbedingungen sind. Doch abgesehen von einigen wenigen Sektoren wie Bergbau, Ölplattformen, Militär oder NGOs gibt es wenige Belege dafür, dass Jobs mit hohen Löhnen schlechtere Arbeitsbedingungen aufweisen – eher im Gegenteil.

«Vielen Arbeitnehmenden sind andere Aspekte als der Lohn wichtig. Deshalb bewerben sie sich oft auch nicht um Stellen, obwohl sie dort mehr verdienen könnten.»
Daniel
Kopp

Warum ist die Frage nach dem Lohn dennoch für viele Menschen wichtig?

Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit macht rund zwei Drittel des durchschnittlichen Haushaltseinkommens aus, wie das Bundesamt für Statistik ausgerechnet hat. Werden dabei die Rentner:innen nicht berücksichtigt, ist der Anteil noch viel höher, nämlich zwischen 75% und 82%.  

Die Löhne sind also ein sehr wichtiger Faktor für den Lebensstandard eines Haushalts. Was trägt denn sonst noch zum Haushaltseinkommen bei?

Wir unterscheiden zwischen zwei Hauptarten von Einkommen: dem Arbeitseinkommen und dem Nichtarbeitseinkommen. Der Name sagt es schon, das Arbeitseinkommen ist der Lohn, den man mit selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit verdient.

Und das Nichtarbeitseinkommen?

Salopp gesagt, ist es das Geld, für das man nicht arbeiten muss. Dazu gehören zum Beispiel staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosen-, Invaliditäts- oder Rentenleistungen sowie das Kapitaleinkommen, also Zinsen, Dividenden oder Unternehmensgewinne.

Geld allein ist zwar nicht alles, aber hat der Lohn auch Einfluss auf die Lebensqualität?

Wir wissen aus der Forschung, dass die Arbeit – und ihre Entlohnung – eine wichtige Quelle des Selbstwertgefühls eines Menschen ist. Der Traum vom «süssen Nichtstun» kann also auch zum Albtraum werden. Denken Sie nur daran, dass Sie durch die Arbeit auch viele soziale Kontakte sowie Erfolgserlebnisse haben.

Was kann wichtiger als ein hoher Lohn sein?

Der wichtigste Grund, eine Lohneinbusse in Kauf zu nehmen, ist die Pendeldistanz. Nah am Wohnort zu arbeiten und nicht täglich stundenlang im ÖV oder Auto zum Arbeitsplatz unterwegs zu sein, sorgt für eine höhere Lebensqualität. 

Auch der Wunsch nach individueller Gestaltung der Arbeitszeit kann wichtiger als der Lohn sein. Teilzeitmodelle, Jobsharing oder Jahresarbeitszeiten sind Möglichkeiten, weniger oder flexibler arbeiten zu können. 

Ein weiterer Grund sind sogenannte Fringe Benefits. Also Lohnbestandteile, die nichts mit Geld zu tun haben, wie beispielsweise ein GA, ein Dienstwagen oder ein Firmenhandy. 

Wenn die Teamkultur besonders gut ist, das Unternehmen einem am Herzen liegt oder aus Kolleginnen und Kollegen sogar Freundinnen und Freunde werden, überlegt man es sich zweimal, ob man die Stelle für einen höheren Lohn wechseln möchte. 

Nicht zuletzt ist es so, dass wer in einem sinnstiftenden Beruf arbeitet oder darin ihre bzw. seine Berufung gefunden hat, öfter bereit ist, auf einen höheren Lohn zu verzichten.