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Gender Pay Gap

«Mutterschaft sorgt für Lohndifferenz.»

Seit 1981 steht die Lohngleichheit von Frauen und Männern in der Bundesverfassung. Doch auch heute noch verdienen Frauen in der Schweiz oftmals weniger als Männer. Dagegen kämpft Susanne Nef, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung im Kanton Zürich. Im Interview sagt sie, wie es zu diesen Unterschieden kommt, und gibt Tipps, wie du dich gegen Lohndiskriminierung wehren kannst.

Susanne Nef, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung im Kanton Zürich. Bild: zVg

Susanne Nef leitet seit Mai 2023 die Fachstelle Gleichstellung im Kanton Zürich. Zuvor leitete sie die Koordinationsstelle zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im Kanton Schaffhausen. Sie forschte und lehrte am Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe der ZHAW und als externe Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Sozialpädagogik an der Universität Zürich zu den Themenschwerpunkten Gleichstellung, soziale Teilhabe und geschlechtsspezifische Gewalt. Susanne Nef promovierte an der Universität Zürich in Erziehungswissenschaft.

Frau Nef, die Lohngleichheit steht seit über 40 Jahren in der Bundesverfassung. Warum müssen wir auch heute noch über Lohndiskriminierung sprechen?

Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind zwar in den letzten Jahren kleiner geworden, aber sie existieren noch immer. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Sie sind zum Teil historisch bedingt, aber auch auf tief verankerte Geschlechterstereotypen zurückzuführen. Fehlende oder unzureichende familienergänzende Kinderbetreuungsangebote sowie die ungleiche Verteilung von unbezahlter Betreuungsarbeit tragen ebenfalls dazu bei.

Die Lohnunterschiede sind also Realität. Wann spricht man von Lohndiskriminierung?

Eine Lohndiskriminierung liegt dann vor, wenn Frauen und Männer im selben Unternehmen für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit unterschiedlich entlohnt werden. Wenn also beispielsweise die männlichen Geschäftsleitungsmitglieder für die gleichwertige Arbeit einen höheren Lohn als das weibliche Geschäftsleitungsmitglied erhalten. 

«Die Lohnunterschiede sind in den letzten Jahren kleiner geworden, aber sie existieren noch immer.»

Frauen verdienen in der Schweiz immer noch durchschnittlich 18% weniger als Männer. Wie lässt sich das erklären?

Die erwähnten 18% sind ein Durchschnittswert für die gesamte Wirtschaft. Davon sind 52,2% sogenannte erklärte Anteile und 47,8% sogenannte unerklärte Anteile der Lohnunterschiede. Die erklärten Anteile ergeben sich aus Faktoren wie der beruflichen Stellung, der Anzahl der Dienstjahre oder dem Ausbildungsniveau. Wird von Lohndiskriminierung gesprochen, werden die unerklärten Anteile in den Blick genommen.

Welches sind die Hauptgründe für diese Differenz?

Die im Dezember 2022 publizierte Studie «Zürcher Wirtschaftsmonitoring» mit Fokus auf Frauen auf dem Arbeitsmarkt kommt zu dem Schluss, dass der grösste Treiber der unerklärten Lohndifferenz die Mutterschaft ist. Analysen des Bundesamts für Statistik zeigen auch, dass sich die Löhne der erwerbstätigen Frauen nach der Mutterschaft kaum mehr entwickeln. Verschiedene Studien zeigen im Gegenteil, dass Frauen Lohneinbussen erleiden, sobald sie Mutter werden.

 

Bezogen auf Lernende, hat sich in Workshops, die wir geben, im Gespräch mit Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern jedoch auch schon eine Differenz bei den Einstiegslöhnen gezeigt.

«Es ist wichtig, dass unter Kolleginnen und Kollegen transparent über Löhne gesprochen wird.»

Wie gehen Sie gegen die Lohnungleichheit vor?

Als Fachstelle haben wir den gesetzlichen Auftrag sicherzustellen, dass das Gleichstellungsgesetz umgesetzt wird. Wir beraten Personen, die vermuten von Lohnungleichheit betroffen zu sein. Aber auch die Arbeitgebenden haben Informationsbedarf. Schliesslich will kaum jemand Frauen absichtlich im Lohn diskriminieren. Die Gründe liegen eher in fehlenden Stellen- oder Funktionsbeschrieben und fehlenden Lohnbändern, die systematisch angewandt werden können.

Kann ich mich überhaupt wehren, wenn ich feststelle, dass mein Lohn unter dem des Kollegen liegt?

Ja, das können Sie. Denn das Gleichstellungsgesetz verbietet geschlechtsbezogene Benachteiligungen in der Arbeitswelt und verlangt gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Dank der Gleichwertigkeit, das heisst vergleichbare Tätigkeiten, Anforderungen und Verantwortungsgrade, können auch unterschiedliche Berufe und Branchen verglichen werden. Es ist aber nicht ganz einfach: Sie müssen nachweisen, dass das Geschlecht der einzige Grund für die Lohnungleichheit ist.

 

Mehr Tipps gibt’s hier.

Zum Schluss: Lohnt sich denn die Lohngleichheit auch für die Unternehmen?

Unbedingt. Die Lohngleichheit fördert das Vertrauen der Mitarbeitenden in das Unternehmen. Vor allem wird dadurch auch die Arbeitgebendenattraktivität erhöht.

Wirtschaftsnobelpreis für Gender-Economics-Pionierin

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Der Nobelpreis für Wirtschaft ging im Jahr 2023 an die renommierte Harvard-Ökonomin Claudia Goldin. Sie forscht zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden auf dem Arbeitsmarkt, dem sogenannten «Gender Pay Gap» (Lohnunterschied aufgrund des Geschlechts). Hier findets du einen Einblick in die wichtigsten Erkenntnisse aus ihrer langjährigen Forschung: iconomix.ch/gender-pay-gap

 

Bild: Wikipedia