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Arbeitnehmendenrechte

Gewerkschaften und Arbeitgebende: wie Hund und Katze?

Gewerkschaften wurden gegründet, um die Rechte der Arbeitnehmenden zu wahren und zu verbessern. Nicht immer zur Freude der Arbeitgebenden, die ein berechtigtes Interesse daran haben, einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften sowie wettbewerbsfähig zu bleiben.

Gewerkschaften haben für die Arbeitnehmenden schon viel erreicht, sind aber noch lange nicht am Ziel: Demonstration in Bern. Bild: sgb

«Ohne Gewerkschaften ginge es den Arbeitnehmenden heute wesentlich schlechter», sagt Daniel Lampart, Leiter des Zentralsekretariats des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) (siehe auch Interview), «der Schutz wäre geringer, die Unsicherheit grösser und die Arbeitszeiten länger.» 

 

Dass wir heute zum Beispiel ein Lohnniveau haben, das auf Qualifikation basiert, es fast in jeder Branche einen 13. Monatslohn sowie Anspruch auf Aus- und Weiterbildungen oder Ferien- und Arbeitszeitregelungen gibt, wurde zu grossen Teilen von den Gewerkschaften erstritten. Früher vor allem auf der Strasse.

Streiks als Argument

Noch vor rund 100 Jahren gehörte die Schweiz in Europa zu den Ländern mit den häufigsten Streiks. Erst 1937, nach Jahren der Arbeitskonflikte, läutete der sogenannte Arbeitsfrieden in der Schweiz eine Phase des sozialen Miteinanders ein. Seither regeln Arbeitgebende und Arbeitnehmende, vertreten durch die Gewerkschaften, ihre Auseinandersetzungen im Dialog, es gibt einen gesetzlichen Schutz für Arbeitnehmende sowie Gesamtarbeitsverträge.

Unterschiedliche Ziele

Trotz dieses Miteinanders könnten die Ziele unterschiedlicher nicht sein. Die Gewerkschaften wollen im Interesse ihrer Mitglieder einen möglichst grossen Teil der Unternehmenserträge als Lohn und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen an die Arbeitnehmenden verteilen. Demgegenüber vertreten die Arbeitgebendenorganisationen die Interessen der Unternehmensinhaber:innen, die möglichst hohe Gewinne erwirtschaften wollen – als Dividenden für die Aktionärinnen und Aktionäre, oder um neu zu investieren. Dieser Konflikt muss immer mal wieder neu verhandelt werden.

Vielfältige Aufgaben

Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für nichtselbstständig Erwerbende haben Gewerkschaften traditionell auch noch andere Aufgaben. Sie geben Rechtsauskünfte, gründeten Arbeitslosenversicherungen und förderten auch den genossenschaftlichen Wohnungsbau. Während Gewerkschaften also viel Positives machen, gibt es auch einige Kritikpunkte und Argumente, die gegen sie vorgebracht werden. Zum Beispiel wird kritisiert, dass Gewerkschaften den Arbeitsmarkt lahmlegen oder übermässig hohe Löhne fordern, was die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens oder einer ganzen Branche beeinträchtigen könnte.

Der Markt regelt nicht alles

Auf die Frage, ob nicht auch der Markt den Arbeitnehmenden eine gewisse Macht verleiht, sagt Gewerkschaftssekretär Daniel Lampart: «Der Arbeitsmarkt ist leider voller Unvollkommenheiten. Die Löhne sind in jeder Branche verschieden und Frauen verdienen leider immer noch weniger als Männer.» Nur über Gesamtarbeitsverträge kann seiner Meinung nach Diskriminierung vermindert werden. Denn wer seinen Lohn nicht selbstständig verdient, ist immer auf den Goodwill der Arbeitgebenden angewiesen. «Ende der 1980er Jahre, als die Arbeitslosigkeit sehr tief war, hatten Arbeitnehmende einen grösseren Handlungsspielraum, da sie leichter eine neue, bessere Stelle finden konnten», so Lampart. «Leider hat sich das auch in der Schweiz stark verändert.»

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Gewerkschaften kämpfen für höhere Löhne und helfen so, Lohnunterschiede, zum Beispiel zwischen den Geschlechtern, zu verringern. Für Arbeitgebende bedeuten höhere Löhne aber Kosten, die sich negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirken können. Leistungsabhängige Entlohnung könnte hier ein Kompromiss sein.

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Dank Gewerkschaften sind die Arbeitnehmenden vor ungerechtfertigter Entlassung besser geschützt. Für Arbeitgebende können gerechtfertigte Kündigungen auch ein Mittel zur Effizienzsteigerung sein. Wenn Arbeitsplatzsicherheit aber über Produktivität gestellt wird, kann dies zu Ineffizienz führen.

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Wenn sich Gewerkschaften für eine bessere Altersvorsorge ihrer Mitglieder einsetzen, nehmen sie dabei auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene Einfluss. Arbeitgebende sind eher liberaler eingestellt, das heisst, sie sind für mehr Selbstverantwortung jeder und jedes Einzelnen.

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Dass wir heute um die acht Stunden pro Tag arbeiten und nicht wie noch vor 200 Jahren 15, ist eine Errungenschaft der Gewerkschaften. Grundsätzlich haben auch Arbeitgebende nichts gegen kürzere Arbeitstage, wenn in dieser Zeit gleich viel produziert wird.

Quelle: hls-dhs-dss.ch

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Mehr Ferien, wie es Gewerkschaften fordern, bedeuten für Arbeitgebende, dass Arbeitnehmende häufiger abwesend sind bzw. die Kolleginnen und Kollegen mehr Arbeitsbelastung haben. Doch erholte Mitarbeitende sind nachweislich weniger krank. Und das ist im Sinne beider Parteien.