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Lohnunterschiede

Wie der Fortschritt unsere Löhne beeinflusst

Die Löhne von Gutverdienenden steigen in der Schweiz stärker an als die Löhne der Mittelklasse. Neben weiteren Faktoren dürfte auch der technologische Fortschritt eine Rolle spielen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wurden die tiefen Löhne aber nicht abgehängt.

Neue Technologien dringen in immer mehr Arbeitsbereiche vor – ob sie den Menschen ersetzen, wird sich zeigen. Bild: Iconomix

Im Ganzen betrachtet, steigen die Löhne in der Schweiz seit Jahrzehnten an. Allerdings sind die Wachstumsunterschiede zwischen den Einkommensklassen beträchtlich: Die hohen Löhne wachsen seit zwei Jahrzehnten deutlich stärker als die mittleren. Aber auch die tiefen Löhne wuchsen leicht überdurchschnittlich. Diese «Polarisierung» lässt sich auch in anderen hoch entwickelten Ländern beobachten.

Wie kommt es zu solchen Unterschieden?

Unsere Löhne werden auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. «Wie in jedem Markt treffen hier Angebot und Nachfrage aufeinander», sagt Dr. Daniel Kopp, Arbeitsmarktexperte bei der KOF Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich. «Unternehmen suchen Angestellte, Arbeitsuchende bieten ihre Fähigkeiten an.» Ist die Nachfrage nach bestimmten Fähigkeiten gross und die Zahl der verfügbaren Personen mit entsprechender Qualifikation klein, so steigt der Marktwert einer Fähigkeit und mit ihr das Entgelt. Sinkt hingegen der Bedarf an Menschen mit diesen Fähigkeiten, stagniert tendenziell auch deren Lohn.

«Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bestimmen die Höhe der Löhne.»
Daniel
Kopp

Maschinen erledigen Routinejobs

Weshalb aber verändert sich der Bedarf an einer bestimmten Qualifikation? «Ein treibender Faktor ist unter anderem der technologische Fortschritt: Dank Erfindungen wie dem Verbrennungsmotor oder dem Mikrochip hat sich unsere Produktivität in der Vergangenheit um ein Vielfaches erhöht», so Daniel Kopp. Neue Technologien übernehmen aber manchmal auch Tätigkeiten, die vorher von Menschen ausgeführt wurden. In der jüngsten Vergangenheit war das vor allem bei Routinetätigkeiten der Fall, die sehr standardisierte Arbeitsschritte beinhalten. Diese Jobs wurden oft von durchschnittlich qualifiziertem Personal ausgeführt. Weil sie nun von Maschinen erledigt werden, sinkt die Nachfrage nach diesen Arbeitnehmenden. «Der mittlere Einkommensbereich gerät unter Druck.»

Revolution in der Arbeitswelt

Neue Technologien dringen immer mehr auch in Gebiete vor, in denen bisher hoch qualifizierte Menschen tätig waren. So benutzen Anwaltskanzleien heute schon KI, um Routinefälle zu bearbeiten, Banken setzen bei Investitionsentscheiden auf Algorithmen und Spitäler lassen Standardoperationen von Robotern ausführen. Die gute Nachricht: Computer und Maschinen können längst nicht alle Arbeiten ausführen. «Für anspruchsvolle Analysen oder schwierige Entscheide braucht es noch immer den Menschen.» Das gilt für viele Berufe, die mit hoher Ausbildung, einer verantwortungsvollen Position und Toplöhnen einhergehen. Doch auch im Niedriglohnsegment gibt es Jobs, die von der technologischen Entwicklung kaum betroffen sind: Haare frisieren oder Service- und Reinigungsarbeiten können Menschen günstiger oder besser verrichten als ihre maschinelle Konkurrenz.

Mittelstand unter Druck

Während die technologische Entwicklung Arbeitskräfte im hohen Einkommenssegment eher unterstützt und diejenigen im Tieflohnsegment weniger stark betrifft, geraten vor allem Tätigkeiten unter Druck, die im mittleren Einkommensbereich liegen. 

So haben sich die Löhne seit 1996 verändert

Gemäss der jährlichen Lohnstrukturerhebungen des Bundesamts für Statistik stiegen die tiefen Löhne zwischen 1996 und 2020 um 20% und die mittleren leicht schwächer um 17%. Umso deutlicher stiegen dagegen die hohen mit 30% und die sehr hohen Löhne mit 41%.

 

Quellen: Lohnstrukturerhebung BFS, AHV-Einkommensstatistik, BSV