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Reallohnentwicklung

Warum du heute mehr verdienst als damals dein Grossvater

In der Schweiz verdient man tendenziell sehr gut. Doch unsere Löhne waren nicht immer so hoch wie heute. Starkes Wirtschaftswachstum und der Anstieg der Produktivität haben das Lohnniveau im Laufe der Zeit angehoben. Diese Entwicklung hat sich nun etwas abgeschwächt.

Nicht nur in der Industrie und beim Gewerbe sind die Löhne in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Bild: Unsplash / Johan Mouchet (bearbeitet)

1950 verdiente ein Schreiner im Kanton Zürich knapp 3 Franken pro Stunde. Heute sind es rund 36 Franken, also zwölfmal mehr. Natürlich sind in dieser Zeit auch die Preise stark gestiegen. Während das Kilo Ruchbrot in der Schweiz kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch 48 Rappen kostete, waren es 1970 bereits über 1 Franken und 2010 sogar 3 Franken und 52 Rappen. Doch auch wenn man diese Teuerung einbezieht, also den sogenannten Reallohn (siehe Infobox) berechnet, verdienen wir heute im Schnitt fast viermal so viel wie zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Wie kommt das?

Das Lohnniveau ist eng mit dem Wirtschaftswachstum eines Lands verknüpft. Die Wirtschaft eines Lands wächst, wenn der Gesamtwert aller jährlich im Land produzierten Güter und Dienstleistungen über längere Zeit hinweg ansteigt. Häufig geht ein solches Wachstum mit der Steigerung der Produktivität einher. Steigende Produktivität bedeutet, dass der Wert der Güter oder Dienstleistungen wächst, die die Arbeiter:innen innerhalb einer bestimmten Zeit herstellen. Den so geschaffenen Mehrwert können die Firmen in Form von höheren Löhnen an ihre Belegschaft weitergeben.

  • 1950 bis 1970 | Wirtschaftswunder

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wachsen die Wirtschaft und mit ihr die Löhne unerwartet schnell. Bild: Adobe Stock

  • 1973 und 1979 | Erdölkrisen

    Die Erdölkrisen in den 1970er Jahren verpassten der Weltwirtschaft einen Schock – die Löhne stagnierten. Bild: Keystone/STA

  • 1980 bis 2000 | Digitalisierung

    Die digitale Revolution mit dem Aufkommen von Personal Computern und später dem Internet sorgte für neue Berufe. Das Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre setzte dem Hype ein vorläufiges Ende. Bild: Wikipedia

  • 2000 und 2008 | Finanzkrisen

    In den 2000er Jahren bremsen Finanzkrisen das Lohnwachstum. Bild: UPI/Alamy Stock Foto

  • 2020 bis heute | Inflation

    Im Zuge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs legt die Teuerung zu. Ohne Lohnerhöhungen sinkt der Reallohn. Bild: iStock/Traitov

Warum ist die Schweiz heute eines der reichsten Länder der Welt?

Dank der frühen Industrialisierung hatte das Land bereits im 19. Jahrhundert ein recht hohes Wohlstandsniveau erwirtschaftet, wobei der Wohlstand im Vergleich zu heute deutlich ungleicher verteilt war. Die Schweiz verfügte über einen gewichtigen Exportsektor, das bedeutet, dass sehr viel ins Ausland verkauft wurde. Damit war die Schweiz schon damals von der Konjunktur (Entwicklung) der gesamten Weltwirtschaft abhängig. Der Zweite Weltkrieg traf die Wirtschaften der am Krieg beteiligten Nachbarländer stärker als jene der Schweiz. Als nach dem Krieg die Phase des ausgeprägten Wachstums anbrach, war die Schweiz deshalb gut aufgestellt. 

Alles prima, oder nicht?

Die Schweiz hatte aus Sicht der Gewerbetreibenden allerdings einen Nachteil: Im Vergleich zum Ausland waren die Löhne hoch, was die einheimische Produktion teuer machte. Um gegen die internationale Konkurrenz bestehen zu können, lagerte man Teile der Produktion ins Ausland aus. Andererseits spezialisierte sich die Wirtschaft auf technologisch anspruchsvollere Güter und trieb die Forschung und Entwicklung voran. So stieg die Arbeitsproduktivität in der Schweiz vor allem im Exportsektor steil an – und die Reallöhne folgten ihr. Günstige Arbeitskräfte für unproduktive Arbeiten fand man in den sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern aus dem Ausland.

Geht’s immer nur bergauf?

Nein, denn die Konjunktur kann die Löhne auch in die andere Richtung beeinflussen: Der sprunghafte Anstieg der Erdölpreise verpasste den Weltmärkten 1973 einen ersten Schock. In der Folge brachen die Produktivität und das Wirtschaftswachstum auch in der Schweiz ein und mit ihnen der Anstieg der Löhne. Dieses Muster wiederholte sich mit der zweiten Erdölkrise 1979, mit der wirtschaftlichen Stagnation der 1990er Jahre und später mit den internationalen Finanzkrisen ab der Jahrtausendwende. Die Boomjahre nach dem Zweiten Weltkrieg, das starke Wirtschaftswachstum und der Anstieg der Produktivität haben unsere Löhne also auf ein sehr hohes Niveau gehoben. Seit den 1970er Jahren hat sich das Wachstum aber etwas verlangsamt. Heute sorgt die Teuerung infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs für ein Sinken der Reallöhne.

Was bedeutet Reallohn?

Es gibt den Nominallohn, also den Frankenbetrag, den du verdienst, und den Reallohn, das, was du dir mit diesem Betrag kaufen kannst. Steigt also dein Nominallohn um 2%, doch die Inflation (alles wird teurer) beträgt 1,5%, dann verdienst du real nur 0,5% mehr (Reallohnwachstum). Beträgt die Inflation, also die Teuerung, gar 2,5%, geht deine Kaufkraft sogar zurück. Das heisst, du kannst dir für deinen Lohn weniger leisten als vorher.